Endlich, endlich, endlich mal wieder ein Tourtagebuch – nach fast zwei Jahren und mehr als zehn Vorstellungen mit unserem neuen Stück „Das Haus“. Wir sind in der Zwischenzeit mit einer ganzen Veranstaltungslocation umgezogen; reich und berühmt geworden sind wir aber immer noch nicht – jedenfalls nicht so reich und so berühmt, dass wir jemanden dafür bezahlen könnten, dass er uns das Schreiben der Tourtagebücher abnehmen würde.
Fassen wir uns also kurz und überspringen alles, was in der Zwischenzeit passiert ist, die endlosen Tag- und Nachtschichten, in denen wir „Das Haus“ ausgedacht, aufgeschrieben und inszeniert haben, die Vorpremieren in Cottbus, Wismar und Düsseldorf, die merkwürdig lahmen ersten Vorstellungen, denen noch jeglicher Saft und ziemlich viel Kraft fehlte, die ersten Auswärtsauftritte im wunderbaren, leider inzwischen geschlossenen Flux in Velbert und im Dortmunder Sissikingkong und kommen direkt zur Sache, zum Thema dieses fünfundvierzigsten Tourtagebucheintrags, unserem Auftritt beim Wilwarin Festival 2012. Zum zweiten Mal nach 2010 in Ellerdorf. Einerseits: Um drei Uhr Nachts auf die Bühne, maximal 5° über Null. Kurzes Kleid, nackte Arme. Gänsehaut, Frieren, Zittern, Vorhölle. Plattenspieler eiert (wie kann ein Technics eiern?), Mikrofon fiept. Mindestens vier Promille pro Zuschauer. Wichser, Pisser, Text vergessen. Andererseits: Atari Teenage Riot, Hellsongs, Supershirt, Napalm Death, alle auch da. Und andere geile Typen. Und fetter Sound. Und fettes Licht, Lichter, am lichtesten. Oder wie der Zuschauer, der den Backstagebereich gestürmt hat, direkt nach der Show schrie: „Rock’n’Roll, Alter, Rock’n’Roll!“